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OVG: Beitragsbefreiungsverordnung teilweise unwirksam

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    OVG: Beitragsbefreiungsverordnung teilweise unwirksam

    Hallo,
    heute las ich in der Zeitung eine kurze Meldung über ein OVG-Urteil. Ich suchte dann die Pressemitteilung des OVG heraus.
    Natürlich muss man noch die Urteilsbegründung abwarten, aber viel Hoffnung habe ich nicht, dass mich das Urteil überzeugt. Der entscheidende Fehler des Urteils ist in der Pressemitteilung schon erkennbar.
    Komischerweise führt genau das, was ich schon immer an der KitaBBV bemängelt habe, zur Fehlerhaftigkeit des Urteils. Die Pauschale hätte zwischen Hort- und Kitakindern differenziert werden müssen. Hortkinder 9 Euro, Kitakinder um die 18 Euro, die häusliche Ersparnis lag damals bei kurzer Betreuungszeit bei 14 €, über 6 h bei 20 €. (Inzwischen sind es 16 € und 23 €, Hort ist geblieben.)
    Dieser Fehler der KitaBBV führt dazu, dass reine Horteinrichtungen zu hohe Ausgleichszahlungen erhalten und Einrichtungen ohne angeschlossenen Hort dann zu wenig erhalten. Diese können also nach § 5 Abs. 2 KitaBBV höhere Ausfälle anzeigen.
    Die Behauptung des Gerichts ist also falsch: "Diesen Nachweis können die Einrichtungsträger aber praktisch deswegen nicht erbringen, weil der KitaBBV der Gedanke zugrundeliegt, dass für beitragsfrei gestellte Personensorgeberechtigte höhere Elternbeiträge als 12,50 Euro ohnehin nicht zumutbar wären."

    Das eigentliche Dilemma des Urteils liegt aber woanders.
    Wenn das Gericht fordert: "Die Höhe des Pauschalbetrages ist anhand der tatsächlichen Einnahmeverluste der Einrichtungsträger zu bemessen", dann lässt es nicht nur zu, dass derjenige die höchsten Ausgleichszahlungen erhält, der am unverschämtesten zugelangt hat, sondern es negiert damit auch die gesetzliche Forderung: "Die Elternbeiträge sind sozialverträglich zu gestalten" (§ 17 Abs. 2 KitaG). Es befindet sich damit in Gesellschaft des VG Potsdam, das 2017 ebenfalls urteilte, dass Satzungen nicht sozialverträglich sein müssen. (VG 10 K 2485/13)
    Ich will noch betonen, dass man Fehlurteile nicht nur dem Gericht vorwerfen muss, die erforderliche Fachkenntnis kann ein Gericht nicht von Natur aus haben. Die unterlegene Partei hätte ihre Position besser begründen müssen.

    Eine Frage habe ich noch. Den folgenden Satz aus der Pressemitteilung verstehe ich nicht: "Soweit die Verordnung den Landkreisen und kreisfreien Städten das Recht einräumt, die Rechtmäßigkeit der über dem Pauschalbetrag liegenden Elternbeiträge zu prüfen, ist dies zudem von der Verordnungsermächtigung nicht gedeckt."

    #2
    Zitat von Hascheff Beitrag anzeigen
    Eine Frage habe ich noch. Den folgenden Satz aus der Pressemitteilung verstehe ich nicht: "Soweit die Verordnung den Landkreisen und kreisfreien Städten das Recht einräumt, die Rechtmäßigkeit der über dem Pauschalbetrag liegenden Elternbeiträge zu prüfen, ist dies zudem von der Verordnungsermächtigung nicht gedeckt."
    Die Verordnungsermächtigung gem. § 23 Abs. 1 Ziffer 12 KitaG lautet: Durch Verordnung das Nähere zu regeln über....."das Vorliegen der Unzumutbarkeit, die Höhe des Pauschalbetrages sowie das Verfahren zum Ausgleich der Einnahmeausfälle und zur Erstattung der Ausgleichszahlungen nach § 17 Absatz 1a,"
    Nach Auffassung des Gerichts fehlt hier die Berechtigung zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Elternbeiträge. Mal sehen, ob in der Begründung etwas zur Frage einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit im Rahmen der Einvernehmenserteilung gem. § 17 Abs. 3 KitaG zu lesen ist.

    Es grüßt freundlich
    Detlef Diskowski

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      #3
      Die Urteilsbegründungen liegen vor.
      OVG 6 A 6/20
      OVG 6 A 5/20

      Nachtrag:
      Der Städte- und Gemeindebund hat mitgeteilt, dass das MBJS Widerspruch eingelegt hat.
      Zuletzt geändert von Hascheff; 12.07.2021, 08:13.

      Kommentar


        #4
        Die beiden Urteile sind ja in weiten Teilen identisch. Ich beginne mit meiner Kritik mal mit der Besonderheit des Urteils OVG 6 A 6/20.
        S. 5
        Zitat von Antragsgegner
        Durch die Neuregelungen werde der Verwaltungspraxis die Grundlage entzogen, weit oberhalb der Leistungsfähigkeit der von § 90 Abs. 4 SGB VIII erfassten Personensorgeberechtigten liegende Elternbeiträge zu erheben.
        off topic: Ein löbliches Ziel, wer sich mit der Thematik befasst, hat das auch begriffen. Aber wer will es den Kommunen verdenken, dass sie da etwas begriffsstutzig sind. Hat man etwa vergessen, die öTöJh entsprechend zu instruieren? Warum lassen diese Beitragsordnungen mit überhöhten Einstiegsbeiträgen immer noch passieren? Beispiele: 2019 Küstriner Vorland, 2020 Fredersdorf/Vogelsdorf - beide Lk MOL, 2020 Biesenthal, Bernau, Werneuchen - alle Lk BAR


        Was soll diese Argumentation für das Verfahren bringen? Sie setzt voraus, dass "die Verwaltungspraxis" gesetzwidrig war. Denn angenommen, erst durch das Gute-Kita-Gesetz würde die Verwaltungspraxis gesetzwidrig, dann wäre die Gesetzesänderung konnexitätspflichtig.
        Wie man es dreht und wendet, das Ziel des MBJS lässt sich nur erreichen, indem die bisherigen Beitragsordnungen als unvereinbar mit der bisherigen Gesetzeslage erklärt werden.

        Alle folgenden Seiten- und Abschnittsangaben beziehen sich auf OVG 6 A 5/20. Ich will noch vorausschicken, dass zunächst nur einzelne Passagen kritisiert werden. Eine Gesamtwertung verkneife ich mir noch.


        Zitat von Antragssteller
        In § 2 Abs. 1 KitaBBV werde abschließend geregelt, was den Personensorgeberechtigten zumutbar sei. Hiermit stehe das in § 5 Abs.2 Satz 2 KitaBBV vorgesehene Kriterium der Zumutbarkeit nicht in Einklang.
        Ja, logisch, denn es werden zwei verschiedene Sachverhalte beschrieben. Der Irrtum entsteht durch eine ungenaue Formulierung des § 5 Abs. 2 Satz 2 KitaBBV. Dort müsste es am Ende besser heißen:
        "... nachweisen, dass sein Elternbeitrag, der über dem Pauschalbetrag gemäß Absatz 1 Satz 1 liegt, den von § 2 Absatz 1 betroffenen Personensorgeberechtigten im Einzelfall bisher zugemutet werden konnte."
        Das Zumutbarkeitskriterium bezieht sich also auf die alte Rechtslage. Es ist gar nicht denkbar, den Satz anders zu interpretieren.


        S. 4
        Zitat von Antragsgegner
        Das rechtliche Risiko einer Restbedarfsfinanzierungspflicht sei Ausdruck des garantierten Rechts, Selbstverwaltungsaufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen. Der Betrieb gemeindlicher Kindertagesstätten sei daher nicht am Konnexitätsprinzip zu messen.
        Der erste Satz klingt ohne nähere Erläuterung arrogant, ist aber prinzipiell richtig. Ich sehe aber nicht, dass sich daraus Satz 2 ergibt.


        Das erste Zitat aus den Entscheidungsgründen bezieht sich auf eine Aussage des MBJS.
        S. 6
        wonach in den genannten Fällen ein Erstattungsverfahren ähnlich §§ 17b ff. KitaG Anwendung finden solle
        "Ähnlich" ist ein schwammiger Begriff, ich hätte ihn nicht verwendet. Die beiden Fälle sind nicht ähnlich. Beim beitragsfreien Vorschuljahr hat man die gesamte Palette an Einkommen. Für höhere Einkommen können die Beiträge auch bei sozialverträglicher Gestaltung weit auseinander gehen. Ohne exakte statistische Erhebungen muss eine sinnvolle Pauschale weit über dem Durchschnitt liegen, um die Zahl der Anträge auf höhere Erstattungen nicht überborden zu lassen. Bei der Beitragsfreiheit für sozial Schwache liegt die Sache anders, es gibt ausschließlich niedrige Einkommen. Die häusliche Ersparnis ist landesweit einheitlich. Selbst, wenn man nicht auf die häusliche Ersparnis abstellt, allein durch die Forderung der Sozialverträglichkeit liegen die Beiträge nahe beieinander.


        nicht nur die häusliche Ersparnis, sondern auch Kosten durch den Besuch der Kita (Fahrtkosten)
        Zum ersten Mal lese ich, dass der Mindestbeitrag durch die AG17 falsch berechnet worden sei. Dann stellt sich natürlich die Frage, wie die genannten 1,50 € monatliche Fahrtkosten berechnet worden sind. Bei 20 Tagen Kitabesuch kommt man auf 7,5 Cent pro Tag. Damit kommt man nicht weit. Mit dem Auto wäre das ein Umweg von 250 m. Einerseits weiß ich jetzt, wie man auf die 12,50 € Pauschale gekommen ist, andererseits stelle ich mit Erstaunen fest, dass das MBJS überhaupt nicht an die Kinder mit längerer Betreuungszeit gedacht hat. Sollte es daran gedacht haben, hieße das, es gesteht diesem Fall keine Konnexität zu. Unvorstellbar!
        Gleichzeitig entsteht für mich folgende Frage: Wie reagiert(e) der öTöJh bei einem Antrag auf Beitragsbefreiung/-ermäßigung bei folgendem Sachverhalt: Eine Familie nimmt das Wunsch- und Wahlrecht in Anspruch und wählt eine Kita im nächsten Ort. Zum einen entstehen so Fahrtkosten (die können auch ohne WuWr entstehen, wenn es im Wohnort keine Kita gibt), zum anderen kann es passieren, dass dort der Beitrag über dem Mindestbeitrag liegt, obwohl die Familie Einkommen entsprechend dem Kriterium § 2 Abs. 2 KitaBBV hat. (Das kann durch unterschiedliche Höhe des Wohngelds passieren.) Dominiert das WuWr oder kann das Jugendamt aus Sparsamkeitsgründen den Besuch der nächstgelegenen Kita verlangen, übernimmt also nur dessen niedrigeren Beitrag?


        S. 7
        lm Übrigen lässt sich § 17 Abs. 1a KitaG eine materielle Beschränkung des Ausgleichs der Einnahmeausfälle auf die Werte der häuslichen Ersparnis nicht entnehmen.
        Hier hat nach meiner Ansicht das Gericht einen echten Bock geschossen. Die KitaBBV regelt die Ausführung des Gute-Kita-Gesetzes, Einnahmeausfälle sind also in einem Vorher-Nachher-Vergleich durch dieses Gesetz zu betrachten.
        Und da war die häusliche Ersparnis sehr wohl die gesetzliche Vorgabe. Das KitaG beruft sich auf § 90 SGB VIII und dieser enthielt vorher in Abs. 4 diese Forderung. (§ 92a SGB XII)


        Maßgeblich ist mit Blick auf Sinn und Zweck des pauschalen Ausgleichsverfahrens, dass der Pauschalbetrag geeignet sein muss, die tatsächlichen Einnahmeausfälle in einer überwiegenden Zahl der Fälle abzudecken. Das ist, wie oben dargestellt, nicht der Fall.
        Dem kann ich nur zustimmen. Hier rächt sich insbesondere, dass längere Betreuungszeiten nicht beachtet wurden.


        S. 8
        Zwar ermächtigt § 23 Abs. 1 Nr. 12 KitaG das für Jugend zuständige Mitglied der Landesregierung, das Nähere zum Vorliegen der Unzumutbarkeit zu regeln. Dies bezieht sich jedoch ersichtlich auf die Vorschrift des § 90 Abs.2 Satz 3 SGB VIII, wonach das Landesrecht eine von den grundsätzlichen Regelungen der Einkommensfeststellung abweichende Regelung treffen kann. Davon hat der Verordnungsgeber Gebrauch gemacht, indem er in § 2 Abs.1 Satz 3 und 4 an die Stelle der in § 90 Abs.4 Satz 4 in Verbindung mit § 90 Abs.2 Satz 3 und 4 SGB VIII vorgesehenen Ermittlung des sozialhilferechtlich bereinigten Einkommens (§ 82 SGB XII), das der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII gegenübergestellt wird (vgl. dazu Kepert in LPK-SGB VIII, 7. Aufl., § 90 Rn. 20), eine starre Einkommensgrenze in Höhe von 20.000 Euro im Kalenderjahr festgelegt hat.
        Autsch!
        § 90 Abs.2 SGB VIII bezieht sich auf Abs. 1 Nummer 1 und 2, ist also für die Kindertagesbetreuung Abs. 1 Nummer 3) überhaupt nicht relevant! Für diese gelten die Absätze 3 und 4. Hier ist Abs. 4 Satz 2 zu beachten. Dieser wird durch Landesrecht umgesetzt. § 2 Abs.1 Satz 3 und 4 KitaBBV tritt nicht an die Stelle von Bundesrecht, sondern ergänzt dieses. Es werden über Satz 1 und 2 (Bundesrecht) noch weitere Kinder beitragsfrei gestellt.
        Der Irrtum des Gerichts entstand durch einen Lesefehler. Es erwähnt "§ 90 Abs.4 Satz 4 in Verbindung mit § 90 Abs.2 Satz 3 und 4 SGB VIII", § 90 Abs.4 Satz 4 SGB VIII erwähnt aber § 90 Abs.2 Satz 2!
        Jetzt ist natürlich die Frage, wozu ermächtigt § 23 Abs. 1 Nr. 12 KitaG dann bzgl. des Vorliegens der Unzumutbarkeit? Nachdem § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KitaBBV einfach Bundesrecht umsetzen, hat diese Ermächtigung zu Satz 3 und 4 geführt.


        auf einen ... (hypothetisch) zumutbaren Mindestbeitrag
        Was heißt hier hypothetisch? Es geht, wie schon erwähnt um den vorher zumutbaren Mindestbeitrag!


        Einführung eines Zumutbarkeitskriteriums
        Das ist die Gretchenfrage: Wird das Kriterium eingeführt oder existierte es schon?


        bb) Die Regelung in § 5 Abs.2 Satz 2 KitaG
        Hier ist offensichtlich die KitaBBV gemeint.


        bb) ...
        Hier sind wir bei des Pudels Kern, diese Aussagen erfordern eine eigenständige Betrachtung, das kommt später.


        S. 9
        c) ...
        Damit steht und fällt das Urteil! Ich sehe nicht, wie das MBJS diese Aussagen widerlegen kann.


        S. 10
        Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, die unabhängig von der Anzahl der im Haushalt des Kindes lebenden Personen festgelegte Grenze zur Regelung der Beitragsbefreiung weiche von dem sozialrechtlichen Grundgedanken ab, dass die Gewährung von Leistungen immer von der Gesamtzahl der berechtigten Personen abhänge, und sei daher willkürlich.
        Dass diese Behauptung der Antragstellerin nicht zutrifft, ergibt sich aus meiner Begründung zu 2. bb) auf S. 8, die ich nachreiche. Allerdings bezweifle ich die vom Gericht hier erwähnte Begründung des Verordnungsgebers.


        S. 12
        Die Revision ist nicht zuzulassen, Weil keiner der in § 132 Abs.2 VWGO genannten Gründe vorliegt.
        Das ist schon dreist. Dass Grund 3 - ein Verfahrensmangel - nicht erkannt wird, ist klar, aber Grund 1 - grundsätzliche Bedeutung?
        Zuletzt geändert von Hascheff; 12.07.2021, 08:59.

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