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Kann ein Jugendhilfeausschuss die Aufnahme in den Bedarfsplan zunächst verweigern, obwohl Bedarf besteht?

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    Kann ein Jugendhilfeausschuss die Aufnahme in den Bedarfsplan zunächst verweigern, obwohl Bedarf besteht?

    Trotz fehlenden Kita-Plätzen weigert sich ein Jugendhilfeausschuss in Brandenburg seit letztem Jahr, eine Waldorfkinderinitiative in Eberswalde in den Bedarfsplan aufzunehmen, trotz einer Liste mit 22 Kindern. Der ursprüngliche Antrag scheint von der Jugendamtsleiterin nicht einmal an den JHA weitergeleitet worden zu sein.

    Krux der Ablehnung scheint etwas zum Begriff "tatsächlichen Inanspruchnahme" des § 12 (3) des Kita-Gesetzes zu sein. Aus dem scheinen sie im Kreis abgeleitet zu haben, dass man eine Art "Wartefrist" vor Aufnahme in den Bedarfsplan einführen kann: Die Kita soll sich erst einmal etwa ein Jahr "wirtschaftlich bewähren", bevor der Kommunalteil der Finanzierung durch die Aufnahme in den Bedarfsplan ausgelöst wird. Dabei berufen sie sich auf die Kommentierung von Detlef Diskowski zum Brandenburger Kita-Gesetz.

    Meine Rechtsauffassung ist, dass man keine Kita in den Bedarfsplan aufnehmen muss, wenn es nicht genügend klar ist, ob ihn überhaupt Eltern anwählen wollen. Da hat die Initiative schon eine Beweislast. Dieser ist sie aber nachgekommen. Es gibt auch kein Überangebot an Plätzen in der Region (ein weiterer Grund, weswegen man gemäß einem Bundesverwaltungsgerichtsurteil zu einem Waldorfkindergarten - BVerwG 5 CN 1.09 - ggf. in den Bedarfplan unter bestimmten Umständen nach Abwägung des JHA nicht aufgenommen werden könnte), im Gegenteil: Es fehlen etwa 200 Plätze.

    Im Kita-Gesetz heißt es in § 12:

    "(3) Der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe stellt im Benehmen mit den Trägern der freien Jugendhilfe und den Gemeinden einen Bedarfsplan für die Kindertagesbetreuung auf und schreibt ihn rechtzeitig fort. Der Bedarfsplan weist die Einrichtungen aus, die zur Erfüllung des Rechtsanspruchs gemäß § 1 als erforderlich erachtet werden. Hierbei sind die Realisierung des Förderauftrages gemäß § 3 dieses Gesetzes sowie der §§ 22 und 22a des Achten Buches Sozialgesetzbuch, die Erreichbarkeit, die tatsächliche Inanspruchnahme und das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten nach § 5 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zu beachten."

    Wenn der JHA das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten nicht beachtet, arbeitet er gesetzeswidrig. Ich kann keine gesetzliche Grundlage erkennen, auf der ein JHA fordern könnte, die "Wirtschaftlichkeit" erst einmal durch Aufnahme des Betriebes mit einer Teilfinanzierung "beweisen" zu müssen. Im Gegenteil: Wirtschaftlichkeit kann man doch nur dann beweisen, wenn das Kita Gesetz in § 16 Abs 1, 2 UND 3 zur Anwendung kommt. Ohne die Gesamtfinanzierung würde das Zuschussrecht nicht einmal eine Teilbezuschussung erlauben, argumentierte damals das Jugendamt des Landkreis Havelland, als wir vor 23 Jahren in Falkensee den Waldorfkindergarten gründeten und die Stadt Falkensee sich zunächst beharrlich weigerte, ihren Teil der Bezuschussung zu zahlen. Grundsatz ist doch gemäß § 16: "Die Kosten der Kindertagesbetreuung werden durch Eigenleistungen des Trägers, durch Elternbeiträge, durch die Gemeinde sowie durch Zuschüsse des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gedeckt." Ist das nicht eine gesetzliche Verpflichtung, insofern es tatsächlichen Bedarf gibt und sogar Kita-Plätze in der Region fehlen, die man nicht einfach durch Untätigkeit des JHA hinaus schieben kann?

    Dr. Detlef Hardorp

    Bildungspolitischer Sprecher der Waldorfschulen in Berlin-Brandenburg

    (sowie Vorstand des Waldorfkindergartens Falkensee während seiner Gründungsphase)

    #2
    Sehr geehrter Herr Hardorp,

    Krux der Ablehnung scheint etwas zum Begriff "tatsächlichen Inanspruchnahme" des § 12 (3) des Kita-Gesetzes zu sein. Aus dem scheinen sie im Kreis abgeleitet zu haben, dass man eine Art "Wartefrist" vor Aufnahme in den Bedarfsplan einführen kann: Die Kita soll sich erst einmal etwa ein Jahr "wirtschaftlich bewähren", bevor der Kommunalteil der Finanzierung durch die Aufnahme in den Bedarfsplan ausgelöst wird. Dabei berufen sie sich auf die Kommentierung von Detlef Diskowski zum Brandenburger Kita-Gesetz.
    das Erfordernis, die "tatsächliche Inanspruchnahme" der Einrichtung zu beachten ist mit dem Dritten Änderungsgesetz zum KitaG eingefügt worden. Die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung hierzu lautet wie folgt: "Die Einfügung, die "tatsächliche Inanspruchnahme von Betreuungsangeboten" als zusätzliches Kriterium für die Erforderlichkeit von Einrichtungen, soll das Augenmerk darauf lenken, dass nicht angewählte und in Anspruch genommene Einrichtungen bei der Prüfung der Erforderlichkeit hinter solchen zurücktreten sollen, deren Angebot bedarfs− und nachfragegerechter ist. Es soll gesichert werden, dass die tatsächlichen Wünsche der Eltern, die sich in der tatsächlichen Inanspruchnahme von Plätzen der Kindertagesbetreuung manifestieren, ausreichende Beachtung in der Bedarfsplanung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe finden." (Lt-Drs 3/6374)

    Hier findet sich also kein Hinweis auf eine Wartefrist.

    Es ist aber zutreffend, dass ich in der Kommentierung zu § 12 Abs. 3 geschrieben habe: "Sicherlich ist hierbei die Dauerhaftigkeit solcher Wahlen zu berücksichtigen; ein neuer Träger kann ebenso wenig beanspruchen, sofort in den Bedarfsplan aufgenommen zu werden, wie eine sich aktuell verändernde Nachfrage unmittelbar zu einer Veränderung des Bedarfsplans führen kann."

    Meine Rechtsauffassung ist, dass man keine Kita in den Bedarfsplan aufnehmen muss, wenn es nicht genügend klar ist, ob ihn überhaupt Eltern anwählen wollen. Da hat die Initiative schon eine Beweislast. Dieser ist sie aber nachgekommen. Es gibt auch kein Überangebot an Plätzen in der Region (ein weiterer Grund, weswegen man gemäß einem Bundesverwaltungsgerichtsurteil zu einem Waldorfkindergarten - BVerwG 5 CN 1.09 - ggf. in den Bedarfplan unter bestimmten Umständen nach Abwägung des JHA nicht aufgenommen werden könnte), im Gegenteil: Es fehlen etwa 200 Plätze.
    Das stimme ich Ihnen zu. Es ist zu beachten, dass die Regelungen und auch die Kommentierungen dazu vor dem Hintergrund eines Überangebots an Plätzen abgefasst wurden; dass es also eine Konkurrenz unter den Anbietern gibt. Nach Ihren Ausführungen ist das aber hier nicht gegeben, sondern es gibt offenbar einen Platzmangel. Unter solchen Voraussetzungen laufen die Abwägungsfragen (welche Einrichtung aufgenommen werden soll und welche nicht mehr) eigentlich leer, weil die Ansprüche zu befriedigen sind.

    Wenn der JHA das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten nicht beachtet, arbeitet er gesetzeswidrig. Ich kann keine gesetzliche Grundlage erkennen, auf der ein JHA fordern könnte, die "Wirtschaftlichkeit" erst einmal durch Aufnahme des Betriebes mit einer Teilfinanzierung "beweisen" zu müssen.
    Um Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne geht es m.E. nicht. Es geht aber darum (und das wird auch im Rahmen der Erlaubniserteilung vom MBJS geprüft), ob die Einrichtung eine gewisse Dauerhaftigkeit verspricht. Das war auch der Bezug meiner o.g. Kommentierung.
    Es grüßt freundlich
    Detlef Diskowski

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      #3
      Vielen Dank für Ihre klare Antworten!

      Jetzt hatte ich Gelegenheit, mit der Vorsitzendes des JHA zu telefonieren. Ich muss meinen ersten Eindruck korrigieren: Der JHA verweigerte nicht die Aufnahme in den Bedarfsplan. Der Prozess ist noch am laufen. Es gab bereits eine Anhörung der Initiative im JHA. Die Ausschussvorsitzende war sich auch dessen bewusst, dass die Klausel mit der "tatsächlichen Inanspruchnahme" in das Gesetz kam, als es Überkapazitäten gab (sie ist selber Landtagsabgeordnete). Zuletzt gab es im Landkreis aber einen "Anfrageüberschuss" von etwa 80 Plätzen. Somit teilt sie Ihre Auffassung, dass dann diese Klausel leer läuft.

      Allerdings wurde (und wird, wie mir in einem anderen Telefonat heute morgen bestätigt wurde) in der Kreisverwaltung tatsächlich die Auffassung vertreten, die Formulierung des Kita-Gesetzes in § 12 (3) sollte (oder zumindest könnte) so interpretiert werden, dass man aus der Berücksichtigung einer "tatsächlichen Inanspruchnahme" faktisch eine längere Wartefrist vor Einsetzung der letzten Säule der Finanzierung nach § 16 (3) (Gebäudefinanzierung über die Kommune) ableiten solle. Jahrelang war das im Barnim zwei Jahre! Die Jugendamtsleiterin setzte sich dann vor Jahren dafür ein, dass es auf "nur" ein Jahr reduziert wurde. Mit dieser "Haltung" des Landkreises wolle dieser sicherstellen, dass man keine Kitas in den Bedarfsplan aufnehme, die vielleicht zu Beginn voll sind, von denen dann aber schnell die meisten Eltern ihre Kinder wieder abmelden. Innerhalb der Wartefrist soll die Kita ihre "tatsächliche Inanspruchnahme" unter Beweis stellen. Innerhalb dieser Wartefrist fällt die kommunale Säule der Kita-Finanzierung weg. (Das hat gerade eine vor etwa einem Jahr neu gegründete Kita im Landkreis erleben müssen, wobei deren Wartefrist wohl etwas kürzer war.)

      Das erscheint mir eine merkwürdige Begründung zu sein. Denn wenn die meisten Eltern ihre Kinder abmelden, kann eine Kita nicht überleben. Das Problem würde also das Leben regeln. Und wenn eine Kita nachhaltig schrumpft ohne einzugehen, könnte man die Anzahl der Plätze im Bedarfsplan einfach anpassen. Jugendamt und Jugendhilfeausschuss haben als Aufgabe, Jugendhilfe zu ermöglichen, und nicht zu verhindern! Eine unvollkommene Finanzierung durch eine "Wartefrist" hat aber einen eher verhindernden Charakter.

      Ich sehe hier im Landkreis noch Klärungsbedarf.

      Detlef Hardorp

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        #4
        GIch entschuldige mich, aber meiner Meinung nach lassen Sie den Fehler zu. Es ich kann beweisen. Schreiben Sie mir in PM, wir werden besprechen.

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