Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.

Gruppen- oder offene Arbeit

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

    Gruppen- oder offene Arbeit

    Ich bekam kürzlich eine Mail von einer Kollegin, die aber nicht im Forum fragen wollte; deshalb mache ich das für Sie, weil die Frage vielleicht auch an anderer Stelle auftaucht.

    Sie fragte mich, ob man das KitaG so auslegen müsse, dass offene Arbeit nicht erlaubt wäre. Einzelne Eltern hätten eine solche Ansicht vertreten.

    Die Frage hat mich erst einmal überrascht, weil ich auf eine solche Idee nie gekommen wäre. Aber tatsächlich, wenn man den § 8 Abs. 1 liest, findet man dort: "Die Kindertagesstätte gliedert sich in Gruppen, die altersgleich und altersgemischt zusammengesetzt sein können."

    Will das KitaG tatsächlich ein Organisationsprinzip verbieten, bei dem mehrere ErzieherInnen mit einer größeren Anzahl von Kindern den Alltag gestalten, und will es nur das Organisationsprinzip "eine ErzieherIn - eine Gruppe" zulassen? Wenn das so wäre, dann müsste eine solche Regelung m.E. klarer sein. Sie müsste nämlich bestimmen, was eine "Gruppe" ist und wo die Grenze von "Gruppe" zu "gruppenoffen" ist. Sie müsste auch Vorgaben für die verschiedenen Mischformen machen.

    ZUdem würde eine solche Vorgabe dem Grundprinzip des KitaG widersprechen, das nämlich durchgängig eine große Gestaltungsfreiheit in der Form eröffnet.

    Im Ergebnis würde ich also sagen, dass "Gruppe" hier jede mögliche Form von Untergliederung der Kita ist (also z.B. alle Hortkinder, die Kinder in der ersten Etage ... oder auch die Gruppe von z.B. 18 Kita-Kindern, deren Gruppenerzieherin Fr. XY ist). Von substanziellerem Gehalt ist dagegen erst der folgende Halbsatz und der folgende Absatz: "....die altersgleich oder altersgemischt zusammengesetzt sein können.

    Abs. 2 Erfolgt die Gliederung der Kindertagesstätte insgesamt oder die Gliederung der Gruppen nach dem Alter der Kinder, so ist durch geeignete Maßnahmen darauf hinzuwirken, den Kindern Erfahrungen im Zusammenleben mit anderen Altersgruppen zu ermöglichen."

    Es grüßt freundlich
    Detlef Diskowski

    #2
    Liebe Leser_innen,

    hier antwortet Detlef Diskowski als Exeget des Kitagesetzes - und deshalb auch ganz richtig im Forum "Recht und Struktur".

    Hinter der zitierten Frage bzw. der vermeintlichen Äußerung der Eltern, dass Kita-Gesetz erlaube nicht die "offene Arbeit", steht aber oft eine Sorge der Eltern und damit ein pädagogisches Problem. Die Sorge der Eltern bezieht sich meiner Erfahrung nach darauf, ob ihr Kind in einer offen arbeitenden Kita gut aufgehoben, gut gebildet oder mit anderen Worten: als Individuum wahrgenommen wird. (Ich lasse es hier offen, was mit "offener Arbeit" genau gemeint ist. Da gibt es viele Varianten).

    Die Frage der Eltern ist ernstzunehmen. Es ist das legitime Recht der Eltern, ihr Kind als Einzelnes zu sehen und sich um sein Wohlbefinden zu sorgen.

    Eine gute, offen arbeitende Kita wird das respektieren und Antworten finden. Eine Möglichkeit ist, den Eltern "Fenster" einzurichten, damit Sie nicht nur glauben müssen, sondern sehen können, dass es ihrem Kind gutgeht und was es den ganzen Tag über unternimmt und lernt. Ein pffifiges Beispiel konnte ich einmal in Stockholm erleben: Dort kann es passieren, dass plötzlich auf dem PC der Eltern (an ihrem Arbeitsplatz) eine Email aus der Kita ankommt und ein Foto aufploppt mit der Unterschrift: "Ole baut gerade mit Klötzen den höchsten Turm der Welt". Und da geht ja nicht nur ein Email auf, da gehen auch Herzen auf! Das ist nur ein Beispiel für den professionellen Umgang mit den Fragen der Eltern zur offenen Arbeit. Sicherlich gibt es noch viele andere...wer weiß was?

    Es grüßt Sie freundlich

    Ludger Pesch

    Kommentar


      #3
      Ich stimme Ludger Pesch zu; das ist hier kein rechtliches Thema, sondern ein pädagogisches. Deshalb verschiebe ich den Beitrag in das entsprechende Forum.
      Es grüßt freundlich
      Detlef Diskowski

      Kommentar


        #4
        Im Forum "GOrBiKs II" beim Thema "Portefolioarbeit" gibt es einen für die Frage der Offenen Arbeit interessanten Beitrag des Konsultationshortes Schatztruhe. Es lohnt sich mal 'rüberzuschauen https://kita-brandenburg-forum.de/fo...rbeit-gctid307
        Es grüßt freundlich
        Detlef Diskowski

        Kommentar


          #5
          Ich denke die Frage nach der Gruppe wird unterschätzt. Mittlerweile hat es den Anschein, dass viele Kitas wieder zur Gruppe „zurückgehen“. „Zurück“ wird ja meist als eine eingestandene Niederlage begriffen. Ich möchte die historischen Bögen, warum sich viele in den Neunzigern aus der Gruppe ins Gruppenoffene verabschiedet haben, nicht weiter verfolgen, das ist eher was für Archäologen

          Mich hat schon immer die Pädagogik dazu interessiert. Ich bin der Überzeugung, dass Pädagogik eine Wissenschaft ist und kein Diskutierladen. Es gibt demnach Wissen, Erkenntnisfortschritt, Hypothesen und Versuchsfelder. Bei den Kitas, die ich kenne, gab es all dies nicht, wenn man gruppenoffen wurde. Es gab nur: „Ja, die Kleinen lernen so viel von den Großen...“

          Ich als Pädagoge... habe gelernt, dass die Gruppe eine soziologische Einheit abbildet, die 1. durch die Formen der Kommunikation (direkt/indirekt), 2. die Form der Interaktion (direkt oder indirekt - einander gegenseitig auslösende Handlungen oder Ketten von Handlungen bei den Teilnehmern) und 3. dem Ziel, das die räumlich und zeitlich aufeinander bezogenen Akteure verfolgen, definiert wird.

          Eine Fußballmannschaft z.B. agiert um zu gewinnen (Ziel). Die Möglichkeit zur direkten Kommunikation, der Raum (Fußballfeld), die Zeit (90 min) und die eintrainierten interaktiven Muster (Schießen, Rennen...) verbinden sich zu einer Gruppendynamik, d.h. es bilden sich Normen, Regeln und gegenseitige Erwartungshaltungen aus (Rolle versus Status) aus. Diese Haltungen konstituieren die Gesellschaft, sie sind statisch (stabil). Rote Karte heißt raus. Der Torwart soll bitte Bälle fangen, der Stürmer soll Tore schießen. Ein Pass von Person A wird von Person B angenommen etc.

          Prüfe bitte jemand die Gruppendynamik in einer Kita ohne Gruppe, mit Funktionsräumen bei 45 Kindern und drei engagierten Erziehern... Gute Nacht - Pädagogik.

          Natürlich überspitze ich hier, aber ich hatte wirklich noch nie das Gefühl, dass Akteure der offenen Arbeit das oben dargestellte in irgendeiner Form wenigstens angedacht haben. Ich müsste glatt 100 Seiten schreiben, um zu verdeutlichen, was die Absätze oben für ein Gewicht tragen.

          Das als Anreger soll für heute genügen

          Kommentar


            #6
            Sehr geehrte Ulla,

            argumentieren Sie da nicht vielleicht ähnlich vereinfachend, wie Sie es den Vertretern der offenen Arbeit vorwerfen?

            Ich finde es gut, wenn Sie sich als überzeugte Gruppenpädagogin äußern. Das kann die ernsthafte und differenzierte Diskussion nur bereichern.

            Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass eine schnelle, unüberlegte Einführung offener Arbeit problematisch ist. Diese Organisationsform stellt hohe Anforderungen an die Fachkräfte und ist nicht mal einfach schnell eingeführt. Es gibt aber eine Reihe von Kitas, die sich aus guten Gründen, geplant und vorbereitet hierzu entschieden haben und wo sich dadurch neue Chancen für die Kinder eröffnen. Das kann man sich anschauen und seine Einschätzung und Bewertung weiter entwickeln. Vielleicht melden sich hier mal Einrichtungen, die sich für Hospitationen und Gespräche zur Verfügung stellen. Von den brandenburgischen Konsultationskitas ist das z.B. die Rappelkiste in Wünsdorf http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcm...b1.c.320733.de, die sicher manche Ihrer Kritikpunkte ausräumen könnte (ohne dass Sie deshalb Ihre Gruppenarbeit aufgeben sollten, wenn das besser für Sie passt).
            Es grüßt freundlich
            Detlef Diskowski

            Kommentar


              #7
              Seit fast sechs Jahren arbeiten die pädagogischen Fachkräfte unserer Kita nach den Prinzipien der offenen Arbeit. Damals sind wir in ein saniertes Haus gezogen. Bei der Gestaltung hatten wir viel Mitspracherecht. Die Kita wurde so konzipiert, dass statt Gruppenräume viele Erlebnisräume mit bestimmten Themen entstanden. Warum sollen die Kinder in nur einem Raum spielen, wenn sie doch ein ganzes Haus erkunden können? Schnell merkten wir, dass offene Arbeit nicht automatisch mit der Öffnung und Gestaltung der Räume gelingt, sondern dass wir eine ganze Menge Struktur und Absprachen brauchen, um den Kindern und uns Orientierung zu geben. Das ist auch notwendig, um unseren pädagogischen Haltungen, Ideen und Zielen gerecht zu werden. Allerdings bedeutet Struktur in unserer offenen Arbeit nicht, dass wir die Kinder einengen. Selbstverständlich gibt es Regeln für sie. Aber wichtiger ist, dass wir uns strukturieren, um den Kindern einen möglichst harmonischen, zum großen Teil selbstbestimmten Tagesablauf zu bieten. So finden unsere Kinder in jedem für sie geöffneten Raum oder im Garten eine Fachkraft, die mit ihnen auf Entdeckungsreise geht. Sie finden im Restaurant jemanden, der eine einladende Atmosphäre schafft, um die Mahlzeiten einzunehmen. Sie finden jemanden, der sie mittags ins Bett bringt oder auch nur Geschichten vorliest und kuschelt.

              Die Kinder haben viel Zeit am Tag ihren Interessen nachzugehen und dabei auch Gleichgesinnten zu begegnen. So können die Themen der Kinder vertieft werden und Projekte entstehen. Wir geben den Kindern keine Lösungen vor, sondern unterstützen sie dabei, selber welche zu finden und halten schon mal aus, wenn es anders läuft als wir es uns vorgestellt haben. Wir beobachten, dass die Kinder viel ausgeglichener sind. Sie fühlen sich von uns ernst genommen. Gespräche mit den Kindern finden immer auf Augenhöhe statt.

              Am Herzen liegt uns der Umgang der Kinder untereinander. Wir sensibilisieren sie, die Gefühle der anderen wahr zu nehmen und sich in die Lage anderer zu versetzen. Fehler machen darf jeder, aber auch sich entschuldigen und dafür sorgen, dass es dem anderen wieder gut geht. Die Kinder bekommen von uns die Unterstützung, die sie brauchen, um ihre Streitigkeiten selber zu regeln. Wie wir als Pädagogen miteinander und mit den Kindern umgehen, können wir im Alltag immer wieder am Verhalten der Kinder erkennen.

              In unserer offenen Kita ist ausreichend Platz für viele verschiedene Bedürfnisse, Charaktere und Persönlichkeiten. Jedes einzelne Kind wird von uns dabei unterstützt, seinen Platz zu finden.

              Kommentar


                #8
                Sehr geehrte Sylke,

                vielen Dank, dass Sie mit Ihrem Beitrag helfen die Diskussion zu fundieren. Das klingt wirklich gut, wie Sie sich der Öffnung der Einrichtung genähert haben und wie Sie das Konzept mit Leben erfüllen. Ich hoffe, dass Ihre Darstellungen anderen Fachkräften Mut machen, sich dem Thema der Struktur ihrer Einrichtung zu stellen und die für das jeweilige Team und die jeweiligen Räumlichkeiten passende Antwort zu finden.

                Gibt es die Möglichkeit Ihre Einrichtung zu besuchen, damit sich andere Fachkräfte einen unmittelbaren Eindruck verschaffen können? Ich weiß, so etwas ist immer aufwändig und kann ohne zusätzliche Ressourcen - wie z.B. die Förderung als Konsultationskita - nur ab und zu realisiert werden. Aber bei klar formulierten Fragestellungen, die über ein touristisches Interesse hinausgehen, könnte es vielleicht ja mal klappen. Was meinen Sie?

                Ich wünsche Ihnen und den Kolleg*innen jedenfalls ein gutes neues Jahr - und den Kindern natürlich auch
                Es grüßt freundlich
                Detlef Diskowski

                Kommentar


                  #9
                  Danke für die positive Rückmeldung!

                  Unsere Kita ist Konsultationskita für Fachkräftequalifizierung.

                  Selbstverständlich sind wir auch für Konsultationen zu anderen Themen offen.

                  Für interessierte Forenteilnehmer sind hier unsere Kontaktdaten:

                  Kindertagesstätte Hollerbusch

                  Herweghstraße 62/64

                  15732 Schulzendorf

                  Tel: 033762 807726

                  E-mail: <a href="mailto:hollerbusch@schulzendorf.de">hollerbu sch@schulzendorf.de</a>

                  Träger: Gemeinde Schulzendorf

                  Leitung: Sylke Bertholdt

                  Kommentar


                    #10
                    Hallo Sylke,

                    schade, dass wir nicht in Ihrer Nähe wohnen.

                    So stelle ich mir das für mein Kind auch vor.

                    Leider ist unsere Einrichtung vom baulichen gesehen aus zwei seperaten Häusern, die aber miteinander durch einen langen schmalen Flur verbunden sind. Das eine Haus ist aus dem 18. Jahrhundert...

                    Es hat schon Charme, aber die Krippenkinder sind hier im 1. OG untergebracht...

                    VG

                    Janamike

                    Kommentar

                    Lädt...
                    X