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Partizipation - eine neue Pädagogik oder eine gelebte Haltung?

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    Partizipation - eine neue Pädagogik oder eine gelebte Haltung?

    Zuweilen entsteht der Eindruck, Partizipation sei ein Mittel zum Zweck:

    - Kinder sollen lernen, wie Demokratie funktioniert.

    - Kinderkonferenzen sind ein Übungsfeld für soziales Lernen und/oder dienen der Sprachförderung.

    - Kinder lernen, ruhig zu sitzen, sich zuzuhören und nacheinander zu sprechen.

    - Die dort „erarbeiteten“ Regeln werden besser eingehalten.

    Dann wieder wird Partizipation als Thema gehypt; wie auch manch andere (angeblich brandneue) Bindestrich-Pädagogik.

    Wie ich finde, gibt es sehr treffende Aussagen von Lothar Klein und ein Beispiel was Partizipation wirklich ist, in TPS 5/16 und ich darf hier mit freundlicher Genehmigung des Verlages einen Auszug dokumentieren:

    Damit Partizipation zu einem gelebten Recht wird, müssen Erwachsene bereit sein, Kinder als Personen mit eigenem Willen anzuerkennen und diesen Wil­len als rechtens zu respektieren – und zwar in jeder Situation. Das ist nicht einfach. Was Partizipation als in Beziehungen eingebettetes und selbstverständ­liches Recht für Kinder bedeuten kann, möchte ich an folgendem Beispiel verdeutlichen. Das Beispiel hat mein Verständnis von Partizipation nachhaltig be­einflusst. ....:Jason (6 Jahre) erzählt:

    „Noch zehnmal schlafen, dann fahre ich in Urlaub.“ Ich sage: „Du freust dich wohl sehr?“ und wundere mich, denn seine Freude ist gar nicht so groß. Er erzählt, dass er schon einmal an dem Urlaubsort war und dass es dort sehr schön ist. Plötzlich fragt er: „Ist der Kindergarten noch da, wenn ich wiederkomme?“ Aber auch nach der Bestä­tigung ist seine Stimmung eher nachdenklich.

    Einige Tage später – wir malen mit Straßenkrei­de – kommt er und fragt, ob er seinen Namen überall hin schreiben darf, damit wir ihn nicht vergessen. Er hat die Lösung seines Problems alleine gefunden, und sein Name steht jetzt an der Hauswand, an der Schaukel, auf dem Plat­tenweg und auf dem Gartentisch. Jetzt ist er sicher, dass ihn hier niemand vergisst. Nun er­zählt er, worauf er sich im Urlaub freut, und ist voller Vorfreude darauf."


    Hier geht es einzig und alleine um Jasons Anliegen, um nichts sonst. Er soll nichts lernen und auch kei­ne Demokratieerfahrung machen (auch wenn beides natürlich passiert). Die Erzieherin hat nichts davon im Kopf. Sie lässt sich auf Jason ein, macht sich mit ihm zusammen Gedanken, versucht zu verstehen und ebenfalls mit ihm gemeinsam sein Prob­lem zu lösen. Jason muss nichts begründen. Er hat ein Recht auf sein Anliegen. Und er hat ein Recht darauf, dass Erwachsene sich ernsthaft darauf beziehen Das ist auch schon das ganze Geheimnis der Partizipation.


    (Lothar Klein in Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, Heft 5/2016)
    Es grüßt freundlich
    Detlef Diskowski

    #2
    bzw. zitiert: Die Erzieherin hat nichts davon im Kopf. Sie lässt sich auf Jason ein, macht sich mit ihm zusammen Gedanken, versucht zu verstehen und ebenfalls mit ihm gemeinsam sein Prob­lem zu lösen. Jason muss nichts begründen. Er hat ein Recht auf sein Anliegen. Und er hat ein Recht darauf, dass Erwachsene sich ernsthaft darauf beziehen Das ist auch schon das ganze Geheimnis der Partizipation.[/i]

    (Lothar Klein in Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, Heft 5/2016)
    Ein wunderbares Beispiel für gelebte Beachtung und Teilhabe, dem stimme ich zu. Ich kann aber der Konstruktion des Gegensatzes von Haltung und einer begrifflich bestimmten Pädagogik nicht folgen. Natürlich ist "Partizipation als Pädagogik" nicht neu - ich erinnere hier nur an Janusz Korczak und seine "Magna Charta Libertatis" für das Kind. (Über den Zusammenhang seiner Pädagogik mit der UN-Kinderrechtskonvention hat Waltraud Kerber-Ganse ein sehr gutes Buch geschrieben). Aber Korczaks Pädagogik würde - auch heute - nicht als anregend und anstößig empfunden ("Das Recht des Kindes auf seinen Tod"), wenn sie sich nicht kritisch verhielte zu den üblichen erzieherischen Abläufen, die ich zusammenfassend adultistisch nennen würde: Der Erwachsene weiß stets Bescheid und gibt die Entscheidungen vor.

    Auch eine "Haltung" entsteht ja nicht von alleine, sondern als Ausdruck der Erfahrungen und ihrer Interpretation durch den Menschen. Wir sind alle angewiesen auf andere, die uns etwas zeigen, uns lehren, uns teilhaben lassen an ihren Erfahrungen und uns ins Gespräch darüber ziehen. Das gilt sowohl im Alltag wie in Bildungseinrichtungen. Es ist deshalb nicht verkehrt, Erfahrungen und Absichten auch konzeptionell zu fassen, z.B. im Sinne einer Pädagogik der Partizipation (Beispiele: Situationsansatz, Reggio-Pädagogik, Freinet-Pädagogik, Pädagogik der Unterdrückten), um sie damit begrifflich fassbar, lehrbar und auch kritisierbar zu machen. Und um Maßstäbe zu gewinnen zur Beurteilung anderer Strategien.

    Die Verfasser solcher Konzeptionen sollten allerdings wissen und deutlich machen, auf welchen Schultern sie stehen. Erinnern ist nicht nur eine Weise biografischer Selbstvergewisserung, sondern auch in der pädagogischen Zunft von Nutzen. Denn selten wird etwas gänzlich neu erfunden; wohl aber wiederentdeckt und dann unter den Bedingungen der jeweiligen Zeit aktualisiert, erweitert und neu formuliert.

    Kommentar


      #3
      Es ist deshalb nicht verkehrt, Erfahrungen und Absichten auch konzeptionell zu fassen, z.B. im Sinne einer Pädagogik der Partizipation (Beispiele: Situationsansatz, Reggio-Pädagogik, Freinet-Pädagogik, Pädagogik der Unterdrückten), um sie damit begrifflich fassbar, lehrbar und auch kritisierbar zu machen. Und um Maßstäbe zu gewinnen zur Beurteilung anderer Strategien.

      Die Verfasser solcher Konzeptionen sollten allerdings wissen und deutlich machen, auf welchen Schultern sie stehen. Erinnern ist nicht nur eine Weise biografischer Selbstvergewisserung, sondern auch in der pädagogischen Zunft von Nutzen. Denn selten wird etwas gänzlich neu erfunden; wohl aber wiederentdeckt und dann unter den Bedingungen der jeweiligen Zeit aktualisiert, erweitert und neu formuliert.
      Lieber Ludger Pesch, deine Argumentation kann ich nicht nachvollziehen, denn es braucht kein eigenes (neues, abgrenzendes) Konzept, um sich über ZIele und Weg zu verständigen. Zudem stellt sich doch die Frage, ob die schier unüberschaubare Vielzahl der Konzepte tatsächlich zu einer Orientierung der Praktiker beiträgt, oder nicht vielmehr zur Beliebigkeit der Maßstäbe des Handelns. Wir haben beim Lagerfeuer in Kaufungen darüber nachgedacht, ob diese Vielfalt wirklich nötig ist - oder ob nicht eine Reduzierung auf das Gemeinsame, den Kern moderner Pädagogik hilfreicher wäre. https://www.av1-shop.de/schulen/465/...t-weniger-mehr Ich habe in die Diskussion die Frage eingebracht, ob nicht "10 Gebote guter Pädagogik" ausreichen würden und Gerald Hüther war sogar der Meinung es würde eines ausreiche: "Niemals darf ein Kind zum Objekt gemacht werden!"

      Solche Reduzierungen sind sicherlich zugespitzt, aber die Frage ist m.E. berechtigt, wofür die Vielzahl der Konzepte taugt, wenn sie doch in 90% ihres Inhalts gleich sind. Karl Valentin formulierte mal: "Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem!"

      ...und noch eine kleine Ergänzung: Richtig problematisch wird es dann, wenn Konzepte als "THEORIE" verkauft werden, denn das verwirrt. Theorie erklärt - ein Konzept sagt wie ich etwas machen soll. Die Verwechslung von Erklärung/Verstehen einerseits und Norm/Zielbeschreibung andererseits führt zu Aussagen wie "Das ist doch alles nur Theorie - die Praxis ist ganz anders" - und das ist nun wirklich nicht hilfreich.
      Es grüßt freundlich
      Detlef Diskowski

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        #4
        Hallo,

        pädagogisch kann ich hier nicht mitreden.

        Mir ist wichtig, dass die Erzieher nicht so im Stress sind, dass sie nicht nur "Aufbewahren" (etwas drastisch formuliert) sondern auch lehren können. Wenn Konzepte/Ideen/.. im Schrank versauern, hilft es den Kindern nicht. Die Teams müssen auch Zeit haben, ihre tollen Konzepte zu leben!!

        Zur Partizipation aus Sicht der Eltern eröffne ich ein separates Thema...das passt hier nicht.

        Bis dann...

        ein Papa

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          #5
          Hallo "Papa",

          (ich bin auch einer). Ich halte die Rahmenbedingungen, unter denen die ErzieherInnen arbeiten, auch für stark verbesserungsnotwendig.

          Das "Zeit"-Argument überzeugt mich in der Praxis dann aber meist doch nicht. Oft finde ich die Hektik und Kurzatmigkeit des Kitaalltags hausgemacht. Viel mehr als in der Schule sind die ErzieherInnen der Kita in der Lage, den Tag nach eigenen Maßstäben zu gestalten. Unreflektierte Routinen verhindern das aber oft.

          Und ich bin neugierig, was Sie zur Partizipation aus Elternsicht beitragen möchten.

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