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Kitasatzung und Nettoeinkommensbestimmung

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    Kitasatzung und Nettoeinkommensbestimmung

    Hallo,

    in unserer Kommune ist geplant mit Beschluss der neuen Satzung, dass das Nettoeinkommen, welches zur Bestimmung der Kitabeiträge dient, nicht mehr anhand der realen Abzüge (Sozialversicherungen, Steuern, etc.) vom Brutto bzw. Gewinn ermittelt wird, sondern durch den Abzug von pauschalen Beträgen, wie folgt:

    Vom jährlichen Bruttoverdienst bzw. Gewinn wird pauschal eine Summe in Höhe von 35 % für Nichtselbstständige, 25 % für Beamte und 30 % für Selbstständige abgezogen. Für die Verwaltung entspricht dies dann dem Nettoeinkommen, obwohl in der Regel abhängig von der Steuerklasse und somit dem Familienstand die realen Abzüge durch Sozialversicherungen und Steuern viel höher sind und die Eltern somit weniger im Geldbeutel haben, als was die Verwaltung annimmt. Außerdem wird von der Verwaltung argumentiert, dass in dem Pauschalabzug auch die Werbungskosten berücksichtigt würden. Dem ist nicht so, wenn noch nicht mal alle realen Abzüge gedeckt sind. D.h. im Klartext, die Verwaltung geht nicht vom tatsächlich vorhandenen Haushaltseinkommen aus. Damit ergeben sich eklatante Erhöhungen im Vergleich zur aktuellen Kitasatzung. Ob eine nachweisbare Erleichterung bei der Pauschalabzugsvariante für die Verwaltung eintritt, wurde nicht quantitativ belegt. Es existiert auch keine Prognose für die Auswirkung auf den Haushalt der Stadt!

    Wie sehen Sie diese Ungleichbehandlung von Personen je nach Familienstand und Einkommen?

    Mit freundlichen Grüßen

    #2
    Hallo,

    die Bestimmung des Einkommens ist ja im ersten Schritt nur das Mittel, um die Relationen zwischen den Einkommen der Eltern zu bilden; also für eine gerechte Beteiligung der Eltern zu sorgen. Ob sich hieraus insgesamt oder im einzelnen eine Erhöhung oder Minderung ergibt, ist dann erst eine Folge der hieraus gebildetenen Beitragshöhen. (Man könnte sich vorstellen, dass bei einem Wechsel vom Netto-Begriff des Einkommens zum Brutto keinerlei faktische Erhöhungen eintreten, weil gleichzeitig die Beitagssätze gesenkt werden.)

    Insofern muss man m.E. die gewählte Einkommensdefinition daraufhin betrachten, ob sie soweit möglich und sinnvoll Beitragsgerechtigkeit herstellt. Dr. Baum schreibt dazu in einem Beitrag zu den Grundsätzen der Höhe und Staffelung von Elternbeiträgen: "Grundsätzlich muss der in der Satzung/Beitragsordnung verankerte Einkommensbegriff geeignet sein, die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Kostenschuldner zu erfassen. Der Einrichtungsträger darf dabei nicht willkürlich handeln, ist andererseits aber auch nicht gehalten, die größtmögliche Genauigkeit zu erreichen. Aus der Eigenschaft der Elternbeiträge als sozialrechtliche Abgaben eigener Art folgt bei der Festlegung des Einkommensbegriffs ein weiter Spielraum für Vergröberungen im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität. § 17 Abs. 2 KitaG gestattet z. B. eine Anknüpfung an das Bruttoeinkommen mit pauschalen Abzügen für Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben und Sparer-Pauschbeträgen." Das vollständige Gutachten findet sich hier: http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcm...b1.c.444684.de

    Auch Dr. Baum hält also Pauschalierungen für möglich, wobei diese Pauschalen nicht aus der Luft gegriffen sein dürfen, sondern die (unterschiedliche) Leistungsfähigkeit abbilden sollen. Ob das bei den drei Klassen der Einkommensbeziehern mit 35%, 30% und 25% gewährleistet ist, scheint mir aber eher fraglich. Sind diese Abstufungen irgendwie nachvollziehbar begründet? Ich stimme Ihnen zu, dass die Abzüge für Sozialversicherung und Steuern deutlich höher sein dürften. Das allein wäre aber m.E. noch nicht zu bemängeln, wenn es alle Eltern gleichmäßig trifft (s.o.: die Einkommensbestimmung dient erst einmal nur der Herstellung von Beitragsgerechtigkeit zwischen den Beitragszahlern).

    Also zusammenfassend wären

    1. der gewählte Einkommensbegriff zu betrachten und da sind die drei Stufen für mich der problematische Punkt;

    2. kann man das Ergebnis (Erhöhungen für alle, für einzelne... ) betrachten und bewerten.
    Es grüßt freundlich
    Detlef Diskowski

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      #3
      Sehr geehrter Herr Diskowski,

      ich entnehme Ihrer Antwort, dass es zum einen darum geht, bei der Einkommensbestimmung eine Beitragsgerechtigkeit zwischen den Beitragszahlern zu gewährleisten und zum anderen, dass es auch gestattet ist, Vergröberungen bei der Einkommensbestimmung im Interesse der Verwaltungsvereinfachung einzuführen, z.B. durch Abzug von Pauschalbeträgen für Werbungskosten.

      Ich möchte auf Ihre Antwort wie folgt antworten:

      Der Vorschlag der Verwaltung sieht vor, nicht Teile das Einkommens zu pauschalisieren sondern das komplette Einkommen an sich. Nach meinen Berechnungen im Fall der Nichtselbstständigen führt das im Extremfall dazu, dass die Eltern Sprünge von bis zu 5 Einkommensstufen hinnehmen müssten. Für mich hat das leider nichts mehr mit einer Vergröberung des Einkommens zu tun, wenn die Verwaltung am Ende, z.B. im Maximalfall von 80.000€ Brutto/Jahr bei einem Netto von 52.000€ landet, obwohl nach Abzug von Steuern, Sozialversicherungen, etc. z.B. bei Steuerklasse 1 nur ca. 44.000€ netto verbleiben. Das sind 8.000€ zuviel, und somit 5 Einkommensstufen und Kitabeitragsstufen höher als im Fall der Realabzugsvariante! Das ist inakzeptabel und hat nichts mehr mit Sozialverträglichkeit und Beitragsgerechtigkeit zu tun, denn je nach Steuerklasse und somit Familienstand und Höhe des Einkommens müssten die Eltern unterschiedliche Sprünge in der Tabelle erwarten - von 0 bis max. 5.

      Aktuell mit der alten Satzung (seit 2006) wird das Einkommen anhand der realen Abzüge, die jeder Elternteil hat, ermittelt. Mit der neuen Satzung hat sich nun auch die Art der Staffelung der Beiträge geändert. Z.B. im Fall der Nichtselbstständigen werden Eltern (Familien) bis zu einem Nettoeinkommen von ca. 30.000€ ENTLASTET. Familien mit höheren Einkommen werden BELASTET. D.h. allein aus der Natur der Staffelung heraus werden Familien mit höheren Einkommen mit höheren Kitabeiträgen rechnen müssen. NUN kommt aber erschwerend hinzu, dass diese Familien, die das Glück haben Vollzeit und NICHT im Niedriglohnsektor arbeiten zu dürfen, durch die Pauschalisierung des Nettoeinkommens (siehe oben) doppelt belastet würden. Das ist für mich einfach nur ungerecht und sendet ein falsches Signal an die Familien. Die, die in guten Jobs Vollzeit arbeiten, werden bestraft. Bei Familien mit mehreren Kindern summiert sich diese Ungerechtigkeit auf Beträge, für die man schon mal seinen Jahresurlaub verbringen könnte...

      Mit freundlichen Grüßen

      PS. Leider kann ich Ihnen hier keine Bilder anhängen, die meine Berechnungen grafisch wiedergeben, aber es ist alles Online-Brutto-Nettogehaltsrechnern zu entnehmen.

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        #4
        Sehr geehrter Herr Diskowski,

        ich entnehme Ihrer Antwort, dass es zum einen darum geht, bei der Einkommensbestimmung eine Beitragsgerechtigkeit zwischen den Beitragszahlern zu gewährleisten und zum anderen, dass es auch gestattet ist, Vergröberungen bei der Einkommensbestimmung im Interesse der Verwaltungsvereinfachung einzuführen, z.B. durch Abzug von Pauschalbeträgen für Werbungskosten.
        Ja, das war die grundsätzliche Aussage. Mir ging es vor allem darum, die beiden Aspekte (Festlegung des Einkommensbegriffs und Zuordnung von Beitragshöhen zu den Einkommensstufen) voneinander zu trennen. Ich meine, erst wenn man die beiden Fragen getrennt betrachtet, ist das Thema behandel- und klärbar. Ob eine Satzung rechtmäßig ist, ergibt sich nicht schon aus dem Ergebnis, dass man zukünftig höhere Elternbeiträge zahlen muss.

        Zu meinen abstrakten Aussagen führen Sie konkret aus, wie das in diesem Fall geschehen soll.

        1. In einer kommunalpolitischen Diskussion würde es nun darum gehen, ob die beschriebenen Effekte politisch gewollt sind. So wie sich das hier darstellt, soll eine allgemeine Erhöhung (also für ALLE Eltern) des Elternbeitragsaufkommens erreicht werden. Dazu bringen Sie in Ihrem Beitrag eine Reihe von ernstzunehmenden Argumenten vor.

        2.1 In einer verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzung wäre zu klären, ob die Bezieher bestimmter Einkünfte benachteiligt sind. Hierzu machen Sie Ausführungen, mit denen sich im Klagefall ein Gericht auseinandersetzen würde

        2.2 .... und es wäre zu klären, ob das Ergebnis zu rechtfertigen ist. Dann müssten die Elternbeiträge einen klaren Bezug zu den Platzkosten haben - und der Höchstbeitrag müsste aus den Platzkosten abzüglich der Förderung durch die öffentliche Jugendhilfe (Finanzierung der Personalkosten gem. § 16 Abs.2 KitaG) abgeleitet sein. Das ist hier nicht Kern Ihrer Argumentation.

        Ich möchte auf Ihre Antwort wie folgt antworten:

        Der Vorschlag der Verwaltung sieht vor, nicht Teile das Einkommens zu pauschalisieren sondern das komplette Einkommen an sich. Nach meinen Berechnungen im Fall der Nichtselbstständigen führt das im Extremfall dazu, dass die Eltern Sprünge von bis zu 5 Einkommensstufen hinnehmen müssten. Für mich hat das leider nichts mehr mit einer Vergröberung des Einkommens zu tun, wenn die Verwaltung am Ende, z.B. im Maximalfall von 80.000€ Brutto/Jahr bei einem Netto von 52.000€ landet, obwohl nach Abzug von Steuern, Sozialversicherungen, etc. z.B. bei Steuerklasse 1 nur ca. 44.000€ netto verbleiben. Das sind 8.000€ zuviel, und somit 5 Einkommensstufen und Kitabeitragsstufen höher als im Fall der Realabzugsvariante! Das ist inakzeptabel und hat nichts mehr mit Sozialverträglichkeit und Beitragsgerechtigkeit zu tun, denn je nach Steuerklasse und somit Familienstand und Höhe des Einkommens müssten die Eltern unterschiedliche Sprünge in der Tabelle erwarten - von 0 bis max. 5.
        Wie schon geschrieben: Beim Einkommensbegriff geht es m.E. nur um die Frage der BeitragsGERECHTIGKEIT. Werden also bei dem gewählten Verfahren Bezieher unterschiedlicher Einkommensarten ungerechtfertigt benachteiligt oder bevorzugt? Ich kann und will hier nicht das Ergebnis bewerten, sondern nur die Schritte zur Bewertung verdeutlichen. (s.o.)
        Es grüßt freundlich
        Detlef Diskowski

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          #5
          Sehr geehrter Herr Diskowski,

          in der Auslegunshilfe für Träger von Tagesbetreungseinrichtungen zur Finanzierung von Kindertagesstätten im Land Brandenburg von Herrn Dr. Baum vom November 2015 findet man unter dem Abschnitt 2.2 Das Gebot der Sozialverträglichkeit auf Seite 26 den Satz "Bei der Berechnung der Elternbeiträge ist daher nur das tatsächlich verfügbare Haushaltseinkommen zugrunde zu legen." Durch die pauschalen Abzüge vom Brutto bzw Gewinn verstößt die Verwaltung dagegen und somit auch gegen den Beschluss des im Bericht von Herrn Dr. Baum zitierten Oberverwaltungsgerichts Berlin -Brandenburg!

          Mit freundlichen Grüßen

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            #6
            Sehr geehrter Forumsnutzer,

            es ist gut, dass Sie so hartnäckig sind, so lässt sich der Sachverhalt auch klären

            Ich stimme der Aussage von Herrn Baum ausdrücklich zu. Es ist aber auch richtig, dass Pauschalierungen möglich sind; es geht um die Frage WIE pauschaliert wird - nicht OB. Der Gestaltungsspielraum ist m.E. überschritten, wenn die Pauschalierung das Ergebnis grob verfälscht . Dafür haben Sie Argumente vorgebracht, die durchaus einleuchtend sind.

            Meine Argumentation zielt nicht darauf, ob Sie im Recht sind oder die Stadt, sondern wie man sich der Beurteilung einer solchen Frage nähern kann. Vielleicht ist das unbefriedigend, wenn man nur ein "Ja" oder "Nein" zu einer geäußerten Auffassung haben will. Das würde allerdings den nächsten Fragestellern nicht weiterhelfen .... daher meine etwas langen und grundsätzlichen Ausführungen.
            Es grüßt freundlich
            Detlef Diskowski

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